Sommerschule 2019 Vom "Onkel in Übersee" bis zur "Skype-Mama" Emigrationsgeschichte (n) aus der Bukowina
Die Sommerschule soll am Beispiel einer Teilregion der Ukraine Entwicklungs- und Verflechtungslinien europäischer Geschichte im Osten Europas vermitteln. Die TeilnehmerInnen sollen dabei Wirkmechanismen zwischen politischer Gestaltung sowie sozialen und wirtschaftlichen Prozessen kennenlernen und sich mit Parallelen und Unterschieden zu aktuellen Entwicklungen in Europa auseinandersetzen.
Im Mittelpunkt steht dabei die multinationale und multikulturelle Landschaft der Bukowina, die mehrere Emigrationswellen erlebt hat, deren Spuren bzw. Folgen bis heute zum Teil sichtbar sind. Der zeitliche Rahmen reicht dabei vom 18. bis ins 21. Jahrhundert. Damit will die Sommerschule in einer Zeit, in der Emigration und Immigration (zweiteres vor allem in Deutschland bzw. in West- und Nordeuropa) die dominierenden Themen im öffentlichen Diskurs sind, zu einer Bewusstseins- und Wissenserweiterung beitragen. Neben der Emigrationsgeschichte in der Bukowina soll es bei der Sommerschule auch um aktuelle Entwicklungen in der Region und in der gesamten Ukraine gehen. Beleuchtet werden sollen dabei Ursachen der Emigration in Vergangenheit und Gegenwart sowie die Folgen für die Region Bukowina und das Land Ukraine. Ein Austausch mit jungen zivilgesellschaftlichen Akteuren aus Tscherniwzi soll die TeilnehmerInnen außerdem für aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, Herausforderungen und Probleme sensibilisieren sowie Dialog und Zusammenarbeit anregen. Arbeitsformen der Sommerschule sind Vorträge, Seminare, Workshops und Exkursionen. Die Veranstaltungen werden von renommierten WissenschaftlerInnen der Nationalen Jurij-Fedkowytsch-Universität Tscherniwzi und gesellschaftlichen Akteuren durchgeführt und begleitet. Die Sommerschule legt jedoch auch sehr viel Wert auf eine aktive Einbeziehung ihrer TeilnehmerInnen. Daher wird im Vorfeld ein Reader zur Verfügung gestellt, mit dem sie sich auf die Sommerschule vorbereiten und durch eigene Beiträge an der Gestaltung der Sommerschule mitwirken können. Dank der Unterstützung des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München können zwei Doktoranden mit einem Stipendium an der Sommerschule teilnehmen. Auch sie werden in die programmliche Gestaltung der Sommerschule aktiv einzubezogen. Anders als in vorangegangenen Jahren rückt die Sommerschule 2019 von der Fokussierung der multiethnischen und multikulturellen Bukowina ab, ohne dieses besondere Merkmal dieser Region jedoch aus dem Blickfeld zu verlieren. In der ersten Woche der Sommerschule geht es deshalb auch um die Entstehung des heterogenen Bevölkerungsgefüges, verschiedenen Formen der Bevölkerungspolitik und damit verbundene Diskurse zwischen Staat, Nation und Individuum. Herausgehoben werden soll dabei zunächst auch die Bukowina als Immigrationsziel von Menschen ganz unterschiedlicher Nationalitäten und Kulturen im 18. und im 19. Jahrhundert, also als die Bukowina Teil der Habsburger Monarchie war. Politische und soziale Ursachen werden herausgearbeitet und analysiert. Im weiteren Verlauf soll das literarische Werk bekannter EmigrantInnen aus der Region, wie Rose Ausländer oder Gregor von Rezzori, eine zentrale Rolle spielen, das das oftmals vielschichtige Verhältnis von EmigrantInnen zu ihrer Heimat widerspiegelt. In der zweiten Woche rückt die Emigration nach dem Zweiten Weltkrieg in den Mittelpunkt der Sommerschule. Neben der Emigration der jüdischen Bevölkerung aus der Bukowina werden dabei auch ukrainische und rumänische Emigrationsbewegungen beleuchtet. Eine Exkursion in die rumänische Stadt Suceava in der Südbukowina beleuchtet zudem Parallelen und Unterschiede in der Entwicklung der Emigration aus der Ukraine und dem EU-Mitgliedsland Rumänien. Die nahe (Landes- und EU-) Grenze soll sowohl als Trennlinie als auch als Ort der Mobilität und der Hoffnung erfahren werden sowie eine Diskussion über Grenzen und Grenzziehungen bewirken. Schließlich sollen Interviews und Diskussionen mit Emigranten aus der Bukowina den Bogen zur Gegenwart spannen. Die TeilnehmerInnen der Sommerschule sollen in Gruppen arbeiten und werden durch einem Workshop zum Thema (journalistisches) Interview, der von Lehrkräften der journalistischen Lehrstuhl der Universität Tscherniwzi durchgeführt wird, darauf vorbereitet. In Anspielung auf den Titel des Buches „Skype-Mama“ und in Anbetracht der Entfernungen finden die Gespräche mit den Zeitzeugen per Skype statt. Außerdem sind vor Ort Gespräche und Diskussionen mit zurückgekehrten Emigranten geplant. Dabei werden die TeilnehmerInnen der Sommerschule mit ganz unterschiedlichen menschlichen Schicksalen und Lebensläufen konfrontiert und erhalten zudem einen Einblick in die aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Situation in der Stadt und der Region Tscherniwzi. Der sonst unbekannte Emigrant bekommt ein Gesicht, der eher abstrakten Vorstellung von Emigration und ihren Ursachen sollen so ein persönliches Schicksal entgegengestellt werden. Im weiteren Verlauf bekommen die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, ihre Interviews in der Gruppe auszuwerten zu bearbeiten. Geplant ist, die Interviews auf einer Internetseite oder auf Papier gebracht zu veröffentlichen. Das Ende der Sommerschule fällt ganz bewusst mit dem internationalen Lyrikfestival „Meridian Czernowitz“ zusammen. Die TeilnehmerInnen bekommen so die Möglichkeit, ukrainische und internationale Poesie und Literatur zu erleben, mit Dichtern, Autoren, Organisatoren und Besuchern ins Gespräch zu kommen und so die Verknüpfung von kulturellem Erbe und moderner Kultur in der Stadt Tscherniwzi hautnah zu erleben. Die Sommerschule wird durch zwei Schnuppersprachkurse in Ukrainisch und Rumänisch ergänzt, die zum einen erste kommunikative Wendungen vermitteln, zum anderen Interesse an einem weiterführenden Spracherwerb wecken soll. An der Sommerschule nehmen neben Studierenden aus Deutschland Studierende und junge Absolventen der Nationalen Jurij-Fedkowytsch-Universität -Tscherniwzi teil.